Kommentar des Chefredakteurs

Während ich diesen Kommentar aufzeichne, braut sich nur wenige Hunder Meter neben unserem Studio im Landtag etwas zusammen. Die SPÖ hat gemeinsam mit der FPÖ einen Sonderlandtag zu Maßnahmen gegen die Teuerung einberufen. Doch das Thema ist derzeit fast Nebensache. Viel interessanter ist der rot-blaue Paso Doble, den die Herren Schnabl und Landbauer derzeit immer öfter aufs politische Parkett legen.

Und nicht nur mit der FPÖ geht SPÖ-Chef Franz Schnabl derzeit auf Tuchfühlung. Gemeinsame Forderungen und Pressetermine mit Neos-Chefin Collini sind unübersehbar. Was sich da anbahnt ist ganz klar: Noch nie hat die absolute Mehrheit der ÖVP in Niederösterreich so gewackelt wie jetzt. Und noch nie war die Chance für die Opposition so groß, die Führungsrolle der ÖVP auszuhebeln.

Rote, Blaue, Grüne und Pinke können miteinander, weil sie ein Ziel eint: Das System, das Niederösterreich seit dem zweiten Weltkrieg beherrscht,  muss weg. Das beste Beispiel wie sowas funktionieren kann, ist Wiener Neustadt. Dort hat vor Jahren ÖVP-Urgestein Klaus Schneeberger gemeinsam mit einer bunten Truppe die stärkste Partei vom Bürgermeistersessel gestoßen und sitzt dort seither unangefochten im Amt.

Und genau das könnte nun unter umgekehrten Vorzeichen im Land passieren. Wenn es gegen den gemeinsamen Feind, die ÖVP geht, können selbst ideologische Gräben etwa zwischen Grünen und FPÖ ganz schnell zugeschüttet werden. Dass FPÖ-Landesrat Waldhäusl mit Ex-Grünen Chefin Petrovic kürzlich das erfolgreichste von acht Volksbegehren auf die Beine gestellt hat, zeigt dass sogar hier eine bessere Basis da ist, als man glauben möchte. 

Und wie reagiert die ÖVP darauf? Zurück zur Sitzung im Landtag. SPÖ und FPÖ fordern dort gemeinsam Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung, die aus Gewinnen der Anteile an Energieversorgern finanziert werden sollen. Egal was man von diesem Plan halten mag: Das bestechende an der Idee ist: Es ist zumindest ein Plan. Die ÖVP setzt hingegen auf Zeit und hat angekündigt bis Herbst Maßnahmen zu erarbeiten. Wenn die ÖVP im Rennen bleiben will, dann sollte sie da nicht auf gute Ideen aus dem Bund warten, sondern einen bestechenden Plan präsentieren. Sonst könnte der nächste Landeshauptmann ganz schnell Franz Schnabl heißen. 

Sendung vom 13.05.2022